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Fuck you, Nantes

  • Autorenbild: tine
    tine
  • 20. Sept. 2019
  • 5 Min. Lesezeit

Sorry für den drastischen Titel - ich kann's nur leider gerade nicht anders ausdrücken. Warum genau, dazu komme ich später.


Der Tag begann eigentlich ganz gut. Eigentlich deswegen, weil ich schon um 6 Uhr wach war und nicht mehr schlafen konnte. Ab halb 7 baute ein Angler direkt vor meinem Bus seinen Tages-Angelplatz auf. Das Gelände wäre wirklich groß genug gewesen, er hätte auch einen der anderen 3-4 Picknicktische nehmen können... Naja. Wahrscheinlich war es sein Stammplatz. Ich hab morgens normalerweise gern ein bisschen meine Ruhe, aber ok, wenn man auf einem öffentlichen Platz übernachtet, dann gehört das dazu. Gegen halb 8 habe ich mich entschlossen der Kälte des heutigen Morgens zu trotzen, mich anzuziehen und einen kurzen Spaziergang mit Annie am Fluss entlang und durch das Dorf zu machen.



Wir hatten ja heute richtig Zeit - Nantes war nicht mehr weit weg und ich beschloss, die Landstraße zu nehmen. Da sieht man mehr und zahlt keine Mautgebühr, und ob ich eine halbe Stunde früher oder später in Nantes ankomme, spielt dann auch keine Rolle.


Meine Mama sollte mit dem TGV um 17.20 Uhr in Nantes ankommen, spätestens bis dahin wollte ich natürlich auch da sein. Optimalerweise so, dass ich sie bereits am Bahnhof abholen konnte.


Durch mehrere Pausen, noch tanken und falsch fahren habe ich dann drei gemütliche Stunden bis Nantes gebraucht. Zwischendurch ist mir eine Hornisse ins Auto geweht worden durchs offene Fenster, das war kurz stressig. Ich konnte aber am Straßenrand anhalten, Annie und mich vorsichtig und zügig in Sicherheit bringen, da war sie auch schon wieder draußen, Gefahr gebannt.


Ankunft auf dem Campingplatz in Nantes, mein reservierter Stellplatz war noch nicht frei. Macht nix, beim Geruch von Pinien, einem französischen Café und meinem Éclair, das ich mir auf dem Weg geholt hatte, konnte mich nichts aus der Ruhe bringen. Ich wollte mir wirklich wirklich wirklich nicht die Laune versauen lassen! Ehrlich!



Eine Stunde später war mein Stellplatz frei, ich habe auf Anhieb perfekt rückwärts eingeparkt! Darauf bin ich ein kleines bisschen stolz.


Wirklich schöner Campingplatz in Nantes

Soweit war alles super. Die Sanitäranlagen sind sauber und die Duschkabinen ungelogen 6 Quadratmeter groß, inkl. eigenem Waschbecken und Spiegel. Es gibt sogar Klopapier, und das ist echt selten auf französischen Campingplätzen.


Und jetzt kommt das große ABER, warum ich gerade echt angepisst bin, sauer, frustriert und genervt.


HUNDE SIND IN KEINERLEI ÖFFENTLICHEN VERKEHRSMITTELN ERLAUBT.


Klingt komisch, is aber so. Auch nicht mit Maulkorb. Nicht im Taxi. Nicht in der Tram. Nicht im Bus. Hunde dürfen ausschließlich in einer Tasche mit in die Bahn genommen werden. Gezwungene Handtaschenhunde... Und bei wem jetzt beim Lesen dieser Worte der Problemlösungsmodus anspringt, dem sei gesagt: Ich habe heute echt alles versucht und überall gefragt. Ich habe mehrmals die Rezeption belagert deswegen. Ich habe an der Haltestelle gekuckt und gelesen. Ich habe mich mit meinen Campingnachbarn aus Wales unterhalten, die wiederum hatten bereits Tram-Fahrer und Busfahrer gefragt. Ich habe im Office de Tourisme nachgefragt. Ich habe Einwohner von Nantes auf der Straße gefragt. Nein. Nichts. Nada. Nothing. Kann der Hund nicht in einer Tasche getragen werden, muss man zwangsläufig zu Fuß gehen.


Jetzt liegt dieser Campingplatz ja extra zentral in Nantes. Tut er auch. Mit der Tram ist man in 10 Minuten im Centre-Ville. Zu Fuß sind es aber 4km. Annie ist mittlerweile 9 Jahre alt und meine Erfahrung ist, dass 8km laufen auf Asphalt für sie durchaus machbar ist, aber nicht schön, und das ist ja nur Hin- und Rückweg, ohne die Wege in der Stadt. Ich kann ihr das nicht antun, sie zwei Tage lang 12-16km über Asphalt durch Stadtstraßen zu zerren. Geht nicht.


Stadt ist immer anstrengend für Annie, das weiß ich. Und mit diesem zusätzlichen ungeplanten Fußmarsch ist es für sie nicht mehr zumutbar.


Wir haben es heute dennoch ausprobiert, denn meine Mum vom Bahnhof abzuholen wollte ich mir nicht nehmen lassen. Durch Menschenmassen, Sonne, einige Pausen und ein Mal verlaufen haben wir 2 Stunden gebraucht (für eine Strecke von normalerweise 45 Minuten) und waren immer noch nicht am Bahnhof... Dafür vor dem Hotel meiner Mum. So hat das wenigstens geklappt. Wir haben gemeinsam ihr wunderschönes Apartment-Hotelzimmer bezogen und waren dann noch eine Kleinigkeit essen. Kein großes französisches Abendessen heute, denn dafür war ich einfach zu platt. Und ich musste ja noch heim laufen...


Der Rückweg ging natürlich schneller. Erstens weil wir nicht mehr geschlendert sind, sondern im Laufschritt marschiert. Und zweitens weil wir den direkten Weg genommen haben - auf dem Hinweg sind wir den schönen Weg am Fluss entlang gelaufen, der etwa 5 Minuten länger ist. Und verlaufen haben wir uns auch nicht mehr, da ich alle paar Meter Google Maps gecheckt habe.


Hinweg nach Nantes Centre-Ville am Fluss entlang

Trotzdem. Wir sind beide platt ohne Ende, 1000km Fahrt in drei Tagen, heute Morgen früh raus, ich weiß nicht wieviele Kilometer gelaufen, und das dann auch noch zwischen Menschenmassen, Fahrrad- und Skateboardfahrern. Da dürfen wir schon erschöpft sein.


Und das Traurige ist: Nantes ist wirklich schön! Die Atmosphäre ist angenehm, freundlich und es hat so viele junge Leute, dass meine Mutter direkt als Touristin zu erkennen ist. Heute war ein wunderschöner Sommertag, die Sonne schien und es ist immer noch, auch jetzt in der Nacht, angenehm warm. Die Stadt selbst ist ein Mix aus schönen alten Gebäuden, Historie, Denkmälern und auch Moderne. Die Stadt brummt richtiggehend vor Action, ohne dass man den Großstadt-Vibe bekommt von Kriminalität und Dreck.


Hier ein Beispiel, einmal habe ich die Straße hoch und einmal runter fotografiert: In die eine Richtung die Kathedrale, in der anderen Richtung ein modernes Hochhaus.



Das Schloss oder Burg - le Château des ducs de Bretagne - direkt neben dem Hotel meiner Mum, auch wirklich wirklich schön.


Le Château des ducs de Bretagne in Nantes

Auf dem Heimweg abends um halb 9 sah ich hunderte Grüppchen Menschen friedlich am Fluss sitzen, viele hatten sich etwas zu essen geholt oder Getränke dabei. So viele Menschen beieinander, Freunde, die miteinander lachen und erzählen, während sie an einem lauen Sommerabend am Fluss sitzen, gegenüber Musik aus einer Bar mit bunten Lampen, aber auch aufgeregte Schreie von den Jahrmarkt-Fahrgeschäften. Ich wollte so gern ein Teil davon sein und habe mich für einen Moment auch auf die Treppen am Fluss gesetzt und einfach die Stimmung genossen.



Die Qualität der Aufnahme ist leider nicht besonders gut, da die Dämmerung schon eingesetzt hatte, ich hoffe es hat die Stimmung ein wenig eingefangen.


Von daher: Nantes ist eine wunderbare Stadt, WENN man Mitte Zwanzig ist und hier wohnt. Wie gern würde ich die Zeit zurückdrehen und hier zum Studieren herkommen!


Als Tourist mit Nicht-Handtaschen-Hund ist die Stadt jedoch leider völlig untauglich. Ich verstehe es nicht. Ich bin immer noch völlig fassungslos, weil ich es nicht gewohnt bin, keine Lösung zu finden.


Es ist einfach ein bisschen schade. Wir konnten damit nicht rechnen, auch meine Internet-Recherchen haben nichts ergeben. Hätten wir das geahnt, hätten wir einfach ein kleines Ferienhäuschen eine Stunde weiter am Meer gemietet. Morgen wird meine Mum (die ja ohne Hund auch Tram fahren kann!), zu mir zum Campingplatz kommen und dann fahren wir zusammen raus aus der Stadt, was bleibt uns auch anderes übrig. Wir werden uns selbstverständlich drei schöne Tage machen und uns weder von öffentlichen Verkehrsmitteln noch vom Wetter die Laune versauen lassen, da bin ich sicher. Trotzdem, für heute fällt mir nur auf französisch ein:


Dommage.

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