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Glück gehabt

  • Autorenbild: tine
    tine
  • 29. Sept. 2019
  • 4 Min. Lesezeit

Eigentlich wollte ich heute ans Cap Ferret und dort übernachten.


Der Tag fing super gut an. Die Sonne machte langsam warm, nachdem die Nacht zum ersten Mal richtig kalt war. Alles war klamm und feucht und die ersten Sonnenstrahlen haben richtig gut getan. Ich war guter Dinge, gut vorbereitet. Geschirr gespült, alle Geräte aufgeladen, Wasser nachgefüllt, geduscht, alles schon am Abend vorher erledigt. So hatte ich Zeit zum gemütlichen Aufwachen und für zwei Tassen grünen Tee.


Im nächsten Ort hatte sogar eine Boulangerie offen und ich bekam zwei Croissants. So perfekt ausgestattet starteten wir Richtung Cap Ferret.


Es ist ja Sonntag und auch noch ein Sonnen-Tag, also hatten viele Franzosen wohl dieselbe Idee. Der Verkehr auf der Landstraße war ungewohnt viel.


Als ich gerade um eine Rechtskurve fuhr, kam mir auf einmal, gefühlt 50m vor mir, ein Auto direkt entgegen - auf meiner Spur. Das kleine schwarze Franzosenauto war mitten im Überholvorgang, mitten in der Kurve und kam mir frontal entgegen. Ich sah schon den Frontalzusammenstoß vor meinem inneren Auge. Eine halbe Sekunde später hatte ich eine Vollbremsung hingelegt, von ca. 70km/h auf 30km/h, ich war ein wenig nach rechts ausgewichen, der Schwarze ein wenig nach links, so dass ich dachte wir fahren uns jetzt nur gegenseitig die Seiten ab. Ich war überzeugt, dass ein Crash unvermeidbar wäre.


Vorab: Uns geht's gut, sowohl mir als auch Annie.


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Auf dem Hinweg fuhr ich da, wo jetzt das weiße Auto fährt

Wie durch ein Wunder, es ist mir immer noch unerklärlich, ist NICHTS passiert. Ein riesengroßes Danke an meinen Schutzengel. Wir haben uns noch nicht mal die Spiegel abgefahren. Wie man auf dem Foto sieht, hatte ich keine Chance nach rechts auszuweichen, weil dort dieser Holzzaun war. Das andere Auto, das überholt wurde, konnte auch kaum ausweichen. Und trotzdem haben wir irgendwie aneinander vorbei gepasst.


Ich war schon öfter in brenzligen Situationen beim Auto fahren, aber so knapp, eng und brenzlig war es noch nie. Ich stehe immer noch ein bisschen unter Schock. Ich erinnere mich noch, dass ich gedacht habe: Ich müsste eigentlich hupen. Meine volle Aufmerksamkeit galt aber dem Festhalten des Lenkrads und Bremse treten, ich hatte einfach keine Hand frei zum Hupen. Außerdem hätte es der Situation auch nicht geholfen. Irgendwann fing dann der Bus an zu ruckeln und mir wurde bewusst: Achja, Kupplung treten wär auch ne gute Idee, zu dem Zeitpunkt war das schwarze Franzosenauto schon an mir vorbei.


Es waren nur noch ein paar Meter in den nächsten Ort, die ich mit 30km/h zurück gelegt habe, dort bin ich direkt auf eine Busspur zum Anhalten gefahren, damit wir uns erstmal wieder sammeln können und um eine Bestandsaufnahme zu machen.


Als das Adrenalin nachließ, aber der Schock noch saß, habe ich mir zuerst furchtbar Sorgen um Annie gemacht. Annie saß während der ganzen Situation auf dem Beifahrersitz, ordentlich gesichert mit Geschirr und Gurt. Bei der Bremsung ist sie heftig nach vorne geflogen, dabei vom Sitz gerutscht, hat sich aber sofort wieder hoch gerappelt, soviel habe ich aus dem Augenwinkel mitbekommen. Jetzt, wo alles vorbei war, machte ich mir Sorgen, dass sie doch mehr abbekommen hatte, Hunde zeigen Schmerzen ja nicht wie Menschen, außerdem hatte sie wohl auch einen kleinen Schock.


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Annie ruht sich aus nach dem Fast-Unfall

Sie kam mir so träge und lethargisch vor. Natürlich ist heute Sonntag, so dass auch kein Tierarzt offen hat. Vielleicht fahren wir morgen noch in einer Tierklinik vorbei, damit ich sie mal durchchecken lasse.


Meine Freundin Jasmin ist Tierärztin, daher habe ich bei ihr eine gute Anlaufstelle, wenn ich Fragen habe. Sie gab mir den Tipp, Annie direkt nochmal Traumeel zu verabreichen und sie den Rest vom Tag gut zu beobachten.


Im Internet gibt es mittlerweile Tierärzte, die per Smartphone-Video beraten. Finde ich eine super Idee. Also habe ich mich dort in die Warteliste eingetragen und bekam auch ca. 45 Minuten später einen Rückruf einer Tierärztin, die mich nochmal ausführlich beraten hat. Ohne Video, das war in dem Fall nicht mehr nötig, aber für mich war es wichtig. Ich kenne mich ja mittlerweile ein bisschen und mir war klar - ich brauche hier seelische Unterstützung und die habe ich mir dadurch geholt. Kostenpunkt: 19,90 Euro, finde ich sehr fair.


Nachdem der Tag so gut angefangen hatte, hatte ich nun schon wieder die Schnauze voll von blöden Franzosen-Idioten, die in unübersichtlichen Kurven überholen müssen und überhaupt. Wir sind also langsam weiter gefahren bis zu einem Parkplatz unter Pinien nahe am Strand. Irgendwie wollte mein Gas-Fuß auch nicht mehr so richtig und wir sind mit langsamen 50-60km/h über die Landstraße. Da hatte ich wirklich lange Schlangen von Franzosen hinter mir, und was soll ich sagen, es hat mir ein wenig Genugtuung bereitet! Ich bin wirklich nicht absichtlich so langsam gefahren, ich wollte und konnte einfach nicht schneller. Für heute ist das ok.


Jetzt stehen wir hier auf dem Pinienparkplatz, wo es erlaubt ist für 48 Stunden zu parken. Super, das sollte uns reichen.


Ich richte mich nun nach Annies Rhythmus und Geschwindigkeit, d.h. wir tun nichts, bewegen uns wenig, und wenn dann nur langsam. Annie schläft jetzt hinten im Bus und ich werde nun endlich mein Croissant von heute Morgen essen und mich dann auch ausstrecken.


Inzwischen bin ich auch wieder überzeugt, dass es Annie gut geht und sie keine größeren Schäden davon getragen hat. Sie kann laufen, schnüffeln, fressen, eben alles, was ein Hund gerne macht. Dann hat sie noch eine kleine Portion Trockenfutter in ihr Wasser bekommen, damit sie genug trinkt.


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Sie muss das Wasser zwangsläufig ausschlecken, um an ihr Futter zu kommen

Ich bin unheimlich dankbar gerade. Dafür, dass ich so verantwortungsvoll bin und den Hund IMMER anschnalle, wenn sie oben sitzt, wirklich IMMER. Dafür, dass Annie heute beschlossen hatte, auf dem Beifahrersitz zu sitzen statt unten - denn im Fußraum hätte ihr mehr passieren können. Dafür, dass der Bus noch heile ist, und wir nicht Stunden und Tage in einer Werkstatt verbringen müssen. Dafür, dass uns beiden körperlich nichts passiert ist. Dafür, dass ich 50 Euro für ein anständiges Hundegeschirr ausgegeben habe, für genau diesen Fall, von dem ich dachte, das er nie eintritt. Damals dachte ich noch: Ui, teures Geschirr. Heute denke ich: Gute Investition.


Mal sehen, was wir heute Abend noch so machen, aber so wie es aussieht, nicht mehr viel. Ich kann das Meer rauschen hören und nur für heute reicht mir das Rauschen aus, da muss ich es mal nicht besuchen.


ree
Annie geht es gut

Unser Übernachtungsplatz für heute, wie man auf der Karte sieht, sind wir nicht weit gekommen.



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