Kein Bock.
- tine

- 6. Okt. 2019
- 4 Min. Lesezeit
Heute Morgen war es zum Glück noch trocken, so dass ich alles trocken einpacken konnte. Frohen Mutes bin ich gestartet. Nur, um erstmal nicht aus dem Campingplatz rauszukommen. Hier registrieren sie das Kennzeichen und an den Schranken gibt es Videokameras, so dass die Schranke sowohl beim Einfahren als auch beim Ausfahren für mich öffnet. Nur wollte die Schranke heute nicht öffnen. Hat mich gewundert, denn normalerweise wollen die doch, dass die Camper am letzten Tag schnellstmöglich das Weite suchen? Die Rezeption hatte natürlich auch geschlossen. Also hieß es warten. Bis zwei Campingplatz-Mitarbeiter in ihrem kleinen Wägelchen angefahren kamen. Erst meinten sie, ich müsste auf die Rezeption warten. Aber auf meine erneute Nachfrage, ob sie mir die Schranke nicht öffnen könnten, hat das dann geklappt. So kam ich raus und machte meinen ersten Zwischenstopp bei der Boulangerie. Meine Theorie ist ja, dass die heute generell die Schranken deaktiviert hatten, damit keiner mehr rein kommt. Ist zwar sinnfrei, aber in Frankreich durchaus möglich... Theorie Nummer 2: Aus irgendeinem Grund war bei mir hinterlegt, dass ich noch nicht alles bezahlt hätte. Hatte ich aber! Zwar merkwürdige Preise, aber ich hatte bezahlt... Naja, wenn sie noch Geld von mir wollen, sollen sie mir halt einen Brief nach Deutschland schicken. Meine Adresse haben sie ja und mein Kennzeichen auch.
Kurz nachdem ich losgefahren war, setzte der Regen ein und gleichzeitig meine Null Bock-Stimmung. Nach einer Stunde Fahrt hielt ich zwischendurch auf einem Carrefour-Parkplatz und hatte einfach keinen Bock. Keinen Bock weiterzufahren, keinen Bock hier stehen zu bleiben, keinen Bock was zu essen, keinen Bock einen Tee zu kochen, keinen Bock auf Regen, einfach... Ihr versteht das Prinzip. Es war wirklich ein sehr penetrantes Kein Bock-Gefühl. Ich wollte mich nur auf irgendeinen Parkplatz stellen, mich in den Bus legen und lesen oder schlafen.
Also habe ich mir ein Übernachtungsplätzchen kurz hinter der spanischen Grenze ausgesucht, mitten im Baskenland. Die ersten zwei Fotos zeigen meinen Ausblick aus dem Bus. Es ist sehr idyllisch.
Bis hierher bin ich keine zwei Stunden gefahren. Ist schön hier! Ich hatte trotzdem immer noch keinen Bock. Außer mir standen hier schon ein britischer Van und ein Holländer. Sehr eindeutig Menschen auf der Reise. Der Holländer mit Mütze outete sich als Surfer und die Engländerin mit Dreadlooks habe ich direkt in die Kategorie Hippie eingeordnet.
Es regnet immer wieder, abwechselnd Nieselregen und kleine Schauer, die nur eine Minute dauern. Dazwischen ist es dann wieder trocken. Google Wetter ist der Meinung, es wäre trocken. Leider hat das Baskenland-Wetter seine eigene Meinung und schert sich nicht um Google.
Laut Google Maps gibt es hier einen Weg zu einem Aussichtspunkt aufs Meer. Ich hatte keinen Bock zu laufen, hatte aber Bock, diesen Aussichtspunkt zu erforschen. Da das das Einzige war, worauf ich in den letzten Stunden auch nur ansatzweise Lust hatte, lief ich also los. Ja. Der Weg ging über einen Kilometer bergab, teilweise sehr steil. Mir war schon klar, dass ich da wieder hoch musste, aber damit kann man sich ja immer noch beschäftigen, wenn es dann soweit ist.
Die Aussicht war schon ok. So richtig vom Hocker gerissen hat sie mich aber nicht. Vor allem nachdem wir einen Kilometer steil bergab gelaufen sind, um dann wieder einige hundert Meter steil bergauf zu laufen. Im Anschluss das Ganze dann rückwärts.
Die Felsen hier gefallen mir. Überhaupt ist das Baskenland wunderschön.
Irgendwann hatten wir den Aufstieg dann geschafft und waren völlig durchgeschwitzt. Ich zumindest. Annie hatte den Anstieg langsam aber stetig gemeistert und zeigte nur, dass sie Hunger hatte. Was haben wir gelernt? Zum Beispiel, dass ich im Baskenland keine kleinen Spaziergänge mehr machen werde. Und auch, dass Umdrehen manchmal die bessere Option ist. Man muss nicht jedes Ziel erreichen. Und, dass ich jetzt richtig Bock darauf habe, eine Flasche Wasser zu trinken und im Bett zu bleiben.
Mittlerweile sind an unserem kleinen Übernachtungsplatz noch zwei Französinnen mit Van und ein deutscher Tramper mit kleinem Zelt angekommen. Sehr internationales Publikum hier! Cool. Jetzt hab ich sogar Bock, hier über Nacht zu bleiben.
Die Engländerin und ihr Freund sind eher so mein Alter - die Anderen sicher ein Jahrzehnt darunter. Mit der Engländerin habe ich mich direkt eine halbe Stunde unterhalten, sie hat auch einen Hund dabei. Sie ist bereits seit 7 Jahren auf Reisen. Seit 7 Jahren! Natürlich ging in meinem Kopf sofort eine kleine Diskussion los.
Seit 7 Jahren auf Reisen? Das ist schon cool.
Ja, das ist cool.
Könnte ich das auch?
Bestimmt.
Wo kriegt die ihr Geld her?
Na, die wird zwischendurch immer mal wieder arbeiten. Kellnern oder vielleicht hat sie ein Online Business.
Könnte ich das auch?
Bestimmt.
Will ich das denn?
Hmm, ich spüre keine echte Begeisterung bei dem Gedanken, 7 Jahre auf Reisen zu sein. Also will ich das wohl nicht.
Warum nicht? Ist doch total cool!
Weil ich nicht so abgeschieden von der Welt sein will. Ich will an einem Ort sein, an dem ich wirken kann. Meine Umwelt ein bisschen besser machen kann. Und um richtig zu wirken, muss ich mich auf einen Ort einlassen. Das geht nicht, wenn ich ständig weiter ziehe.
Aha. Ja, gute Antwort, fühlt sich stimmig an.
Es ist spannend, was man so über sich herausfindet. Das Gehirn ist ja auch nichts anderes als ein Computer - gebe ich eine Frage hinein, kommt eine Antwort heraus. Ich war tatsächlich ein bisschen verwundert, dass der Gedanke, 7 Jahre auf Reisen zu sein, bei mir keine Begeisterung wach ruft. Was ich auch noch interessant finde, ist, dass ich mit den jungen Leuten kaum Anknüpfungspunkte habe. Andere Generation. Ich komme mir wieder vor wie das uncoole Kind auf dem Pausenhof. Während ich mich mit der Engländerin, die sicher so alt ist wie ich oder älter, sofort die Nacht durchquatschen könnte. Liegt das am Alter? An der Generation? Oder treffe ich durch Zufall immer wieder die Art von jungen Leuten, mit denen ich nichts anfangen kann?
Zum Abschluss noch ein Bild vom spanischen Atlantik. Seht ihr wie da hinten das gute Wetter für morgen kommt?

Und wenn ihr wissen wollt, wo ich gerade bin, dann schaut einfach kurz auf die Karte.



































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