San Juan de Gaztelugatxe
- tine

- 8. Okt. 2019
- 6 Min. Lesezeit
Gestern Abend habe ich noch Leah und Ben kennengelernt und deren niedliche Hündin Alaska, die Ben vor 7 Jahren als Welpe in Peru gerettet hat. Die Kleine ist so süß, dass ich heute Morgen unbedingt ein Foto mit ihr machen musste.

Zu Leah und Ben hatte ich auch sofort einen Draht. Nachdem die beiden neben mir geparkt hatte, kam Ben direkt rüber zu mir, um nach Annie zu fragen, weil sie eben auch einen Hund dabei hatten. Wir kamen ganz entspannt ins Gespräch und kurz später schenkte mir Leah direkt eine Schüssel voll Wassermelone. Ich erzählte von der Treppe und Dragonstone und Game of Thrones und Ben meinte sofort: Oh, we will join you, if you don't mind! Natürlich nicht. Ich freu mich ja über Gesellschaft!
Heute Morgen sind wir dann zuerst gemeinsam zu einer Bäckerei gelaufen. Mein erstes spanisches Baguette und ich muss sagen, es war sehr sehr gut. Sogar heute Abend noch frisch, was ich bei französischem Baguette nicht immer habe. Ben wollte dann doch lieber surfen gehen, aber Leah und Alaska wollten mit mir die Treppe mit dem unaussprechlichen Namen besichtigen.

So starteten wir die Ruta de San Juan de Gaztelugatxe. Der schmale Steinpfad ging steil bergab. Weiter und weiter. Bereits beim Runtergehen wurde uns ganz anders beim Gedanken, hier wieder hoch zu müssen.
Umso weiter man nach unten kommt, umso besser sieht man den Atlantik, der von beiden Seiten an die Steintreppe herankommt. Praktischerweise sind in den Meeresübergang zwei Rundbögen eingebaut, so dass bei besonders hoher Brandung das Wasser hindurchschießen kann.
Die Wellen überschlagen sich hier und es spritzt und zischt an jeder Ecke!
Dann lag sie endlich direkt vor uns, die Treppe, auf der schon Daenerys Targaryen und Jon Snow gewandert sind. Nach dem steilen Abstieg ist es erstmal eine Wohltat, die Treppenstufen nach oben zu gehen. Die Sonne strahlte vom Himmel herab, als ob es kein Morgen gäbe. Nach den ersten 100 Stufen werden die Treppenabschnitte immer steiler. Zum Glück gibt es so viel zu kucken, dass man ständig Pause machen kann.
Wir haben uns Zeit gelassen, immer wieder die Aussicht genossen. Ich persönlich habe das Gefühl ausgekostet, endlich hier zu sein, da ich diesen Ort schon lange sehen und betreten wollte. Unsere Hunde sind tapfer mitmarschiert. Oben angekommen waren wir alle vier platt und haben Pause gemacht. Leah war so nett und hat uns Sandwiches gemacht, also für uns Menschen, und Wasser für die Hunde hatten wir natürlich auch dabei.
Oben auf dem Berg steht eine kleine Kapelle, oder ein ehemaliges Kloster, ich weiß es nicht genau. Hier gibt es eine Glocke und wenn man sie drei Mal läutet, darf man sich etwas wünschen. Haben wir natürlich gemacht.
Die Glocke hört sich von Weitem richtig schön an. Steht man allerdings direkt davor, schrillt es in den Ohren. Die meisten Menschen haben auch irgendwie kein Gefühl und das Bedürfnis, die Glocke so hart und so laut zu läuten, wie es nur irgendwie geht. Für unsere Mittagspause hatten wir uns daher auf die andere Seite der kleinen Kirche verzogen.

Und hier nochmal der Blick von oben auf dieses Meisterwerk der Baukunst.

In aller Ruhe machten wir uns wieder an den Abstieg. Der darauf folgende Aufstieg klappte dann schneller als gedacht. Man bringt es halt irgendwie hinter sich! Danach waren wir wieder platt und haben noch eine halbe Stunde Pause gemacht und uns unterhalten, bevor wir zurück gefahren sind. Erstmal den Kreislauf wieder auf Normaltemperatur kommen lassen und den Hunden genug Wasser anbieten. Mein Gefühl von gestern, dass man diese kleine Wanderung nicht mal eben so macht, war durchaus berechtigt. Heute hat sich gezeigt, dass die kleine Wanderung als einzige Tagesaktivität durchaus ausreichend ist.
Leah und Ben sind auch schon in ihren 30ern, genau genommen ist Leah 34 wie ich und Ben 37 oder 38, er war nicht ganz sicher. Ben ist seit 11 Jahren auf Reisen und arbeitet online. Er hat einen Youtube Channel namens Kombi Life, Kombi sagen sie in England zu unseren Bullis.

Ben hat das Ganze angefangen und in Mexico Leah kennen gelernt, die dann relativ spontan mit ihm mit gereist ist. Vorher war Leah aus ihrem Heimatland Australien abgehauen und nach Mexico ausgewandert. Verliebt haben die beiden sich erst, als sie gemeinsam auf Tour waren.
Wow! Jetzt hab ich gerade selber mal in deren Youtube Channel geschaut - knapp eine halbe Million Abonnenten! Da hab ich ja richtige Youtube Celebrities kennen gelernt... Wow!
Natürlich habe ich Leah kräftig ausgefragt über das gemeinsame Leben im Bus, über die Vor- und Nachteile und über so Kleinigkeiten wie: Wo duscht ihr eigentlich? Es war wirklich spannend. Meine Erkenntnis von vorgestern, dass jahrelanges Reisen nicht mein Ding wäre, hat sich nochmal bestätigt.
Das Ding ist, Reisen ist anstrengend. Reisen ist nicht Urlaub machen. Ich hatte ein paar Tage Urlaub in Moliets. Trotzdem. Reisen erschöpft. Das sagte auch Leah. Der Traum, immer unterwegs zu sein und die ganze Welt zu sehen, hört sich schön an, das in der Realität durchzuziehen - Hut ab. Sie stresst sich genauso wie ich regelmäßig darüber, wo sie heute Nacht schlafen werden. Das stresst mich auch fast täglich. Werde ich einen guten Schlafplatz finden, an dem ich mich sicher fühle? Hat der Campingplatz noch offen? Wird der Campingplatz super teuer sein? Wird es ein Klo geben? Wenn nein, wenigstens Büsche? Das sind so die kleinen, stressigen Fragen, die sich beim Reisen täglich ergeben. Daher: Reisen ist anstrengend.
Die beiden haben ja auch nicht nur Urlaub. Im Gegenteil. Sie arbeiten fast ständig. Manchmal brauchen sie eine Woche, nur um ein Video zu bearbeiten, meinte sie. (Sind wohl Perfektionisten die zwei, aber der Erfolg gibt ihnen Recht, ich meine ja nur, eine halbe Million Abonnenten muss man erstmal hinkriegen!) Zu zweit dauerhaft in einem kleinen Bus zu leben kann auch sehr anstrengend sein, weil keiner einen richtigen Rückzugsort hat.
Nächsten Sommer wollen die beiden Deutschland bereisen. Wir haben mal unsere Facebook Kontaktdaten ausgetauscht und ich habe ihnen angeboten, wenn sie irgendwie Hilfe brauchen oder bei uns in der Nähe sind, dann sollen sie sich doch melden. Ganz ehrlich, eine Deutschlandtour ohne Heidelberg geht sowieso nicht, daher werden die beiden sicher nochmal auftauchen. Ich habe übrigens heute eine kleine Nebenrolle in einem ihrer Videos bekommen. Bis das rauskommt, kann es aber noch ein bisschen dauern.
Soweit, so gut. Heute Nachmittag bin ich dann weiter gezogen auf den nächsten Campingplatz. Ähhhm. Ja. Spanien! Spanien ist nicht Frankreich. Ich bin da, öhm, anderes gewohnt. Winzigkleine Stellplätze, die mehr auf Matsch als auf Gras sind, heruntergekommene Stromanschlüsse, dafür brandneue und wirklich schöne Sanitäranlagen, das alles für 28 Euro die Nacht. Ja. Begeisterung ist anders... 28 Euro für einen hässlichen Campingplatz, von dem aus ich 10 Minuten durch das Städtchen (statt durch Pinienwald) bis an den Strand laufen muss? Das hatte ich mir anders vorgestellt.
Ich bin gerade leicht frustriert, trotz diesem wunderschönen Tag, weil ich noch nicht weiß, wie es weiter geht. Will ich weiter fahren oder nach Hause? Morgen bin ich drei Wochen unterwegs. Weitere zwei Wochen würde ich schon noch schaffen, ich mag meinen Bus. Wenn ich jeweils eine Nacht auf Campingplatz und dann zwei ohne verbringe, sind das im Schnitt 10 Euro pro Nacht, das wäre auch ok.
Andererseits ist die spanische Nordatlantikküste zwar schön, mit all den Felsen und dazwischen liegenden Buchten, aber auch sehr luftig, sage ich mal. Alle Campingplätze, Parkplätze oder Wohnmobilstellplätze, die ich heute recherchiert habe, liegen auf dem flachen Land. Bzw. auf Hügeln und Bergen, aber eben ohne Bäume. Oft sind es einfache Grasebenen, auf denen sich Wohnmobil an Wohnmobil reiht und das nennt sich dann Campingplatz. Oder es gibt Parkplätze am Strand, die dann sehr schräg sind, und auf denen man abends von der Polizei oder der Gemeinde verjagt wird, wenn man nicht sofort ein Bussgeld aufgebrummt bekommt. Schöne, grüne, ruhige und versteckte Schlafplätze finden sich hier wenig. Das macht die Sache schon ein bisschen schwierig.
Und dann stellt sich ja noch die Frage: Wohin nun? Die San Juan de G... ihr wisst schon, die Steintreppe, war ziemlich das letzte Ziel auf meiner inneren To-See-Liste. Andere Reisende kennenzulernen und mich zu unterhalten, stand auch auf meiner Bucket List, das habe ich nun auch. Das Heimweh wird langsam wieder größer, ich vermisse auch mein Pony und meine Wohnung. Die Sorgen, wo man heute Nacht schlafen wird, mal beiseite legen zu können. Immer ein Klo zur Verfügung zu haben. Und wofür zahle ich eigentlich Miete. Hmmm.
Andererseits: Ich bin hier noch mitten im Sommer. Ihr daheim nicht mit euren kalten 8 Grad! Und wenn man sich mitten im Sommer befindet, warum dann in den Winter fahren?! Ergibt das irgendeinen Sinn?
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen
Hat schon Goethe gesagt, in Faust.



















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